Forschung im Kontext

Thursday, 21 February 2013 13:12

Josef Glößl ist Zellbiologe, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Molekulare
Biowissenschaften und Biotechnologie (ÖGMBT), Professor für Angewandte Genetik an
der BOKU und seit 2010 deren Vizerektor. Im Interview spricht er über die Rahmenbedingungen
der universitären Forschung und den Dialog der Life Sciences mit einer
breiteren Öffentlichkeit.

Herr Glößl, Sie sind Vizerektor für Forschung
und internationale Forschungskooperation
an der Universität für Bodenkultur.
Welche Aufgaben haben Sie in
diesem Amt?

Die Aufgaben ergeben sich – auf der Grundlage
des Universitätsgesetzes 2002 – aus der
Geschäftseinteilung des Rektorats. Im Wesentlichen
geht es darum, zur Weiterentwicklung
der Rahmenbedingungen beizutragen,
unter denen Forschung stattfindet. Ein wichtiger
Aspekt ist dabei auch die forschungsgeleitete
Lehre, die – etwa durch das Angebot
von Doktoratskollegs auf international kompetitivem
Niveau – ein Alleinstellungsmerkmal
der Unis darstellt. Eine weitere wichtige
Aufgabe ist die Verwertung von Forschungsergebnissen
im Rahmen von Kooperationen
mit der Wirtschaft, zu der wir nach dem UG
2002 verpflichtet sind und die darüber hinaus
im Rahmen der Beihilferahmen-Richtlinie
der EU stattfinden muss. Da die Universitäten
vorwiegend öffentlich finanziert sind, darf die Verwertung von Forschungsergebnissen
nur zu marktüblichen Konditionen stattfinden, sonst könnte es als eine
unerlaubte Beihilfe der öffentlichen Hand interpretiert werden. Die BOKU begleitet auch Ausgründungen von Spin-offs, es bedarf
aber auch hier in beidseitigem Interesse
klarer Regelungen, was die Nutzung von Infrastruktur und geistigem Eigentum betrifft.

Im Dezember hat die BOKU eine Leistungsvereinbarung
mit dem Wissenschaftsministerium
für die nächsten Jahre
unterschrieben. Auf welcher Forschungsstrategie
beruht diese?

Wir haben schon ein Jahr vor den Gesprächen mit dem Ministerium unseren Entwicklungsplan
überarbeitet und dabei acht Kompetenzfelder
definiert, die sich an den sogenannten „Grand Challenges“ orientieren.
Die BOKU kann dabei auf ein Profil
aufbauen, das schon traditionell auf gesellschaftlich
relevante Forschungsthemen ausgerichtet
ist, wie Bewahrung und Entwicklung
von Lebensraum, Management natürlicher Ressourcen oder die Sicherung von Ernährung und Gesundheit. Um diese
gesellschaftlichen Herausforderungen aus einer
Zusammenschau verschiedener Perspektiven
bearbeiten zu können, setzen wir in Forschung und Lehre auf ein Drei-Säulen-
Modell aus Naturwissenschaften, Technik und Sozial- und Wirtschaftswissenschaften:
Jedes Curriculum muss mindestens 15 Prozent
von jeder der drei Säulen beinhalten.
Die BOKU ist ja in den letzten Jahren eine
Reihe von Kooperationen eingegangen.
Gemeinsam mit der Veterinärmedizinischen Universität Wien und dem Lebensministerium hat die BOKU den Verein BIOS Science
Austria ins Leben gerufen, um im Bereich der Life Sciences Know-how und Ressourcen zu bündeln und damit Synergien zu schaffen.
Der Verein kann auch als Vehikel genutzt
werden, um uns gemeinsam an internationalen
Projekten beteiligen zu können. Ein strategisches
Abkommen gibt es auch mit dem AIT, mit dem es fruchtbare Kooperationen etwa zur Erforschung und Nutzung genetischer
Ressourcen oder auf dem Gebiet der Nanobiotechnologie gibt.
Darüber hinaus möchte ich das Instrument der CD-Labors zur Förderung der Kooperation mit Wirtschaftspartnern hervorheben, das für die BOKU von eminenter Bedeutung ist.

Die BOKU ist ja auch an einigen
Kompetenzzentren im Rahmen des
CometProgramms
beteiligt.  Welche Bedeutung hat dieses Modell für die
Universität?

Das prominenteste Beispiel dafür ist das
ACIB (Austrian Centre of Industrial Biotechnology,
Anm.), das als größtes Kompetenzzentrum in Österreich besondere
strategische Bedeutung hat. Das Modell hat für die Universitäten aber auch einen Wermutstropfen: Die beträchtliche Forschungsleistung, die hier erbracht wird,
darf aufgrund der Wissensbilanzverordnung
nicht als Leistungsindikator der beteiligten Universitäten verwendet werden, was sich für den Bundesanteil des
Universitätsbudgets nachteilig auswirkt.
Hier sehe ich forschungspolitischen Handlungsbedarf.

Sie sind auch Präsident der Österreichischen
Gesellschaft für Molekulare
Biowissenschaften und Biotechnologie
(ÖGMBT). Welche Aufgaben sehen Sie
für diese Vereinigung?

Eine der wichtigsten Aufgaben sehe ich in
der Stimulierung der Vernetzung von Wissenschaft
und Wirtschaft. Ein Instrument dazu ist die Firmenmitgliedschaft, die für beide Seiten Vorteile bringt. Dazu ist es notwendig,
dass im akademischen Bereich exzellente
Grundlagenforschung betrieben wird.
Die ÖGMBT setzt sich dafür ein, dass in Österreich die dafür notwendigen Rahmenbedingungen
weiterentwickelt werden. Einen wesentlichen Beitrag dazu liefern die Jahrestagungen,
auf denen neben attraktiven wissenschaftlichen
Programmen auch Möglichkeiten zur Quervernetzung innerhalb der Scientific Community geboten werden. Man trifft sich ja sonst meist nur innerhalb kleinerer
Fachgebiete.

Ist die Bündelung von Interessen auch
wichtig für das gemeinsame Auftreten in
der Öffentlichkeit?

Das ist das übergeordnete Ziel der ÖGMBT.
Wir sehen diese Rolle sowohl gegenüber Entscheidungsträgern
als auch gegenüber der allgemeinen Öffentlichkeit. Der Stellenwert
und die gesellschaftlichen Aufgaben von Wissenschaft und Forschung werden häufig
unterschätzt. Wenn man sich da intern vernetzt,
kann man sich einen besseren Zugang
zu Entscheidungsträgern verschaffen.

Nehmen die Wissenschaftler selbst das
schon in ausreichendem Maße wahr?

Hier gibt es sicher noch Nachbesserungsbedarf.
Wir haben rund 1.000 Mitglieder, aber
damit ist das Potenzial auf dem Gebiet der
Life Sciences bei weitem nicht ausgeschöpft.
Es freut mich, dass der Chemiereport nun an alle Mitglieder der ÖGMBT verschickt wird,
wir darüber hinaus mit diesem Medium aber
auch die Möglichkeit haben, einen breiteren Kreis von Personen aktiv anzusprechen. Für
Anregungen aus dem Kreis der Leserinnen
und Leser zu den Aktivitäten der ÖGMBT
wäre ich in meiner Funktion als Präsident
sehr dankbar. (gs)

Published in Chemie Report 01/2013