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Wir sind ab nun regelmäßig im CHEMIE REPORT mit einer ÖGMBT-Kolumne mit den neuesten Entwicklungen aus der österreichischen Life Science Szene vertreten. Wenn Sie einen interessanten Beitrag dazu leisten wollen, richten Sie Ihre Anfrage bitte an die Geschäftsstelle!

 

 

Eine Bühne für die Biowissenschaften

on 27 March, 2017

Wissenschaftliche Trends und politische Rahmenbedingungen waren Thema bei der diesjährigen Jahrestagung der ÖGMBT, in deren Rahmen auch die Forschungs- und Dissertationspreise der Gesellschaft vergeben wurden.

Die Jahrestagung der ÖGMBT ist in den vergangenen Jahren zu einem Treffpunkt der österreichischen Biowissenschaftler über viele disziplinäre Grenzen hinweg geworden. Das breite fachliche Spektrum spiegelte sich auch im Programm der heurigen Tagung wider, zu der von 12. bis 14. September rund 400 Teilnehmer in Graz zusammenkamen. Mit einer Reihe von Schwerpunktthemen wie „Lipid-Metabolismus und Stoffwechselerkrankungen“, „Alterungs- und Neurodegenerationsprozesse“ oder „Enzyme und Nanomaschinen“ war das Programm dabei auch durch das spezifische biowissenschaftliche Profil des Standorts Graz geprägt. Aber auch das nichtwissenschaftliche Rahmenprogramm konnte mit einigen Besonderheiten aufwarten. Schon am Vormittag des ersten Konferenztags kam eine hochkarätige Runde zusammen, um auf dem Tagungspodium über die finanzielle Situation der Grundlagenforschung in Österreich zu diskutieren. Die Erber-Group gab aus der eigenen Praxis gewonnene Tipps für die Bewerbung bei einem internationalen Unternehmen – und bekam so auch Gelegenheit, vor den zahlreich anwesenden Jungwissenschaftlern die wissensbasierte Arbeitsweise des auf Lebens- und Futtermittelsicherheit spezialisierten Konzerns vorzustellen. Ein frischer Wind für die ÖGMBT selbst wehte in Gestalt der Initiative „Young Life Scientists Austria“ durch die Jahrestagung, die sich im Rahmen einer von den Grazer Doktoratskollegs organisierten Session dem Publikum vorstellte.


Grundlagenforschung für die Bioraffinerie der Zukunft

Einen besonderen Höhepunkt stellt alljährlich die Verleihung der ÖGMBT-Forschungs- und Dissertationspreise dar, die heuer ein besonders breites Spektrum wissenschaftlicher Ansätze würdigten. Den mit 2.000 Euro dotierten ÖGMBT Research Award (der diesmal aus privaten Mitteln von Ernst Müllner, Gruppenleiter an den Max F. Perutz Laboratories, gespendet wurde) konnte Daniel Kracher für sich entscheiden. Kracher forscht am Department für Lebensmitteltechnologie an der BOKU über Pilz-Enzyme, die Holz abbauen können. Erst vor wenigen Jahren wurde die neue Klasse der lytischen Polysaccharid-Monooxygenasen (LPMOs) entdeckt, die die sonst schwer zugänglichen kristallinen Domänen an der Oberfläche von Cellulose-haltigem Pflanzenmaterial angreifen und sie so für die weitere Spaltung durch hydrolytische Enzyme vorbereiten. Kracher und seine Kollegen haben in ihrer Arbeit die Mechanismen der durch LPMOs katalysierten oxidativen Spaltung untersucht und dabei insbesondere verschiedene extrazelluläre Elektronenquellen identifiziert, die die Pilze für diese Oxidation nutzen. Die Ergebnisse wurden in der renommierten Fachzeitschrift Science veröffentlicht. Langfristiges Ziel der Arbeiten ist die technische Nutzung von Pilzen in einer Bioraffinerie, die Holz als Rohstoff verwendet, wie Kracher erklärt. „Wir haben das Enzym so untersucht, wie es in der Natur vorkommt. Wenn die Beziehungen zwischen Struktur und katalytischem Mechanismus aufgeklärt sind, kann eine gezielte Optimierung der Enzymstruktur vorgenommen werden.“ Dass eine solche technische Umsetzung nicht so weit weg ist, wie es auf den ersten Blick scheinen mag, zeigt sich daran,
dass LPMOs schon seit einigen Jahren in der Patentliteratur der einschlägig tätigen Unternehmen auftauchen. Kracher will mittelfristig weiter an diesem Forschungsthema dranbleiben: „Wir haben in unserer Arbeit viele Fragen aufgeworfen, die ich gerne beantworten würde.“ Für die nächsten Jahre ist die Finanzierung dabei noch gesichert, danach plant Kracher, eigene Forschungsprojekte zu beantragen.

Neues Krebs-Target, unerwartete Stoffwechselvielfalt

Zusätzlich zum Research Award wurden zwei jeweils mit 1.000 Euro dotierte Dissertationspreise vergeben. Einer davon (dessen Preisgeld von der Firma THP gestiftet wurde) ging an Wolfgang Gruber, der an der Universität Salzburg forscht. Gruber beschäftigte sich mit dem Hedgehog Pathway, einem zellulären Signaltransduktionsweg, der eine wichtige Rolle in der Embryonalentwicklung spielt. Abweichungen von den für gewöhnlich gefundenen Aktivierungsmustern des Signalwegs werden mit einer ganzen Reihe von Krebserkrankungen in Verbindung gebracht. Gruber und seine Kollegen konnten in Modellsystemen für verschiedene Krebsarten zeigen, dass die Proteinkinase DYRK1B ein wichtiger Regulator des Hedgehog Pathway ist und daher als potenzielles Target für den Eingriff durch ein Arzneimittel infrage kommt. Ein Kandidat dafür fand sich in einer Verbindung, die gemeinsam mit dem deutschen Biotechnologie-Unternehmen 4SC identifiziert werden konnte. Die mit diesem Molekül erfolgte Inhibition von DYRK1B führte zum Abschalten des Signalwegs und zur Verhinderung weiteren Tumorwachstums. „Der Preis ist für mich eine große Ehre“, meint Gruber, den es besonders freut, dass damit auch der Life-Sciences-Standort Salzburg ein wenig in den Fokus gerückt wird. Der zweite Dissertationspreis, dessen Preisgeld von der Firma Polymun gestiftet wurde, ging an Hanna Koch. Sie hat sich an der Abteilung für mikrobielle Ökologie der Universität Wien mit Nitrit-oxidierenden Bakterien beschäftigt. Dabei zeigte sich, dass die für den geologischen Stickstoffkreislauf wichtigen Mikroorganismen in ihrem Stoffwechsel weitaus vielfältiger sind, als bisher bekannt war. Besonders hat sich Koch mit der Spaltung von Harnstoff durch Nitrit-oxidierende Bakterien und der dadurch möglichen Interaktion mit Ammoniak-oxidierenden Bakterien beschäftigt. Die Ergebnisse ihrer Arbeit hat Koch bereits in mehreren Publikationen in angesehenen Zeitschriften veröffentlicht.
Die Biologin, die mittlerweile an die Universität Oldenburg gewechselt ist, sieht einen solchen Preis als wesentlichen Faktor im Lebenslauf an: „In der Wissenschaft ist es wichtig, aus der Masse herauszustechen. Das kann von Bedeutung sein, wenn es um die Finanzierung eines Projekts geht.“ Das gilt natürlich auch für Preise für gelungene Präsentationen. Bei der Jahrestagung wurden heuer zehn Best Poster Awards (gesponsert von Biomin) und ein Best Talk Award (gesponsert von Microsynth) an junge Wissenschaftler vergeben. Auf diese Weise kommt die ÖGMBT ihrem Anliegen nach, den wissenschaftlichen Nachwuchs zu fördern und zu unterstützen.

Original Kolumne 07/2016