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Wir sind ab nun regelmäßig im CHEMIE REPORT mit einer ÖGMBT-Kolumne mit den neuesten Entwicklungen aus der österreichischen Life Science Szene vertreten. Wenn Sie einen interessanten Beitrag dazu leisten wollen, richten Sie Ihre Anfrage bitte an die Geschäftsstelle!

 

 

Die Basis des Wissens

on 12 July, 2018

Wenn über das Thema Forschungsfinanzierung gesprochen wird, ist man meist schnell bei einer Input-Output-Diskussion: Der Input sei gut, die Forschungsquote auf 3,14 Prozent des BIP angewachsen (immerhin der zweithöchste Wert in der EU), der Output (etwa abzulesen an diversen Rankings wie dem European Innovation Scoreboard, bei dem Österreich auf Rang 7 liegt) sei aber nach wie vor nicht zufriedenstellend: Noch immer sei man hierzulande nicht zu den sogenann-ten „Innovation Leaders“ vorgedrungen. Fehlt es den Maßnahmen an Effizienz? FWF-Präsident Klement Tockner zeichnet im Gespräch mit dem Chemiereport ein differenzierteres Bild. Für ihn fängt das Problem nicht erst beim Output an: „Der Anteil der Mittel, die in die Grundlagenforschung fließen, ist im Vergleich zu den führenden Ländern zu gering.“ Denn zur Berechnung der Forschungsquote werden zahlreiche Faktoren summiert, die ein Gesamtbild des Innovationsklimas in Österreich erzeugen sollen: Ausgaben, die von Unternehmen für Forschung und experimentelle Entwicklung getätigt werden, aber auch Zahlungen von Ministerien und Landesbehörden an die unterschiedlichsten Einrichtungen und Institutionen, die als (zumindest partiell) forschungswirksam gelten. Aus standortpolitischer Sicht sei die Erhöhung der Forschungsprämie für Unternehmen zu begrüßen, meint Tockner, man müsse aber darauf achten, dass die Balance zwischen wirtschaftsnahen, auf kommerzielle Verwertung ausgerichteten Projekten einerseits und allein von Neugier getriebener Forschung andererseits gewahrt bleibe. Vergleicht man etwa jene ausländischen Institutionen miteinander, die dem FWF ähnlich sind, so haben diese in den Niederlanden das doppelte, in der Schweiz sogar das 4,5-fache Budget zur Verfügung.


„Forschungsinaktive Wissenschaftler“


Doch auch innerhalb des Budgets für Grundlagenforschung kann weiter differenziert werden: „Der Anteil der im Wettbewerb vergebenen Mittel für die qualitativ hochwertige Forschung ist zu gering.“ Sehe man sich beispielsweise das Gesamtbudget der Universitäten an, so kämen in Schweden 50 Prozent aus derartigen Töpfen, bei uns hingegen im Durchschnitt unter 15 Prozent. „80 Prozent der Wissenschaftler in Österreich stellen nie einen FWF-Antrag und meiden somit den qualitätsgetriebenen Wettbewerb in der Grundlagenforschung“, bemerkt Tockner. Das zeige, dass es in der heimischen Forschungslandschaft große Unterschiede gebe. So ist zwar die Zahl der nach Österreich gehenden ERC-Grants (kompetitiv vergebene Forschungsgelder des European Research Council) erfreulich hoch, doch sind es nur wenige Institutionen, die den Großteil davon lukrieren können. Gerade hier zeigt sich eine schöne Wechselwirkung mit Projekten, die vom FWF finanziert werden: „Fast alle ERC-Grantees haben auch einen ansehnlichen FWF-Track-Record“, so Tockner. Eine starke Grundlagenforschung ist nach Tockners Ansicht aus verschiedenen Gründen für ein hoch entwickeltes und wohl-habendes Land wie Österreich essenziell: Zum einen sind auch die Mittel für angewandte Forschung effektiver eingesetzt, wenn es eine breite Wissensbasis gibt, aus der diese schöpfen kann. Darüber hinaus erfüllt die Grundlagenforschung aber auch eine Rolle von großer gesellschafts-politischer Relevanz: „Die Gesellschaft verfügt damit über eine Versicherung für Herausforderungen, die man heute noch gar nicht kennt.“
In der jüngsten Vergangenheit sind indes eine Reihe positiver Entwicklungen zu verzeichnen gewesen: Die Mittel der Nationalstiftung wurden deutlich erhöht (auf jährlich rund 140 Millionen Euro), und zur vereinbarten schrittweisen Erhöhung des FWF-Budgets besteht ein Konsens über alle Parteien hinweg. Für heuer ist das Geld bereits geflossen: Für die im Jahr 2017 verbleibenden beiden Kuratoriumssitzungen stehen 27,5 Millionen Euro an zusätzlichen Mitteln zur Verfügung, sodass die Bewilligungsquote in diesem Jahr erhöht werden kann – eine langjährige Forderung der Wissenschaftsgemeinschaft an den FWF. Vom Ministerium noch nicht in Aussicht gestellt wurde jedoch die ebenfalls seit langem von Forschungsstätten und FWF nachdrücklich vorgebrachte Forderung der zusätzlichen Finan-zierung von zumindest 25 Prozent der Overhead-Kosten jedes FWF-Projekts, um die Antrag stellenden Einrichtungen zu entlasten.

 

Strukturelle Probleme


Von der Frage der Finanzierung abgesehen, konstatiert Tockner aber auch eine Reihe struktureller Probleme: „Wissenschaftler werden zu spät in die Eigenständigkeit entlassen. Das Durchschnittsalter, mit dem man eine eigene Gruppe, eine Tenure-Stelle oder eine Professur übernimmt, liegt bei mehr als 40 Jahren.“ Zudem sei die Wissenschaftslandschaft nicht international genug aufgestellt: „Der Anteil von Nicht-Österreichern an den hierzu lande tätigen Forschern liegt bei 25 Prozent, und davon kommen 50 Prozent aus Deutschland“, so der FWF-Präsident. Hier beißt sich aber die Katze in den Schwanz, denn: „Die geringeren Mittel für Grundlagenforschung sind ein großes Hindernis, um internationale Spitzenleute anzuziehen, weil sie sich fragen, wie sie ihre Gruppe finanzieren sollen“, so Tockner. Dazu brauche es stets eine Kombination aus nationalen und internationalen Mitteln. „Ein wesentlicher struktureller Hemmschuh für die österreichischen Universitäten ist deren nicht adäquates Finanzieungssystem. Neben der beschlossenen Budgeterhöhung für die Universitäten ist vor allem die Einführung der kapazitäts-orientieren Studienplatzfinanzierung dringend geboten, um die Rahmenbedingungen denen von  Spitzenuniversitäten im europäischen und internationalen Umfeld anzunähern“, ergänzt BOKU-Vizerektor Josef Glößl, Vizepräsident der ÖGMBT und Vorsitzender der FWF-Delegiertenversammlung. Zudem fehle noch ein klares Bekenntnis zur Exzellenz. Für die Forschung bedeute ein solches keineswegs, sich in den Elfenbeinturm zurückziehen zu können: „Bei der Definition von Exzellenz soll von Anfang an der translationale Aspekt mitgedacht werden – aber nicht reduziert auf wirtschaftliche Anwendbarkeit, sondern breiter, als gesellschaftliche Relevanz verstanden. Hier ist insbesondere auch die Bedeutung der Geistes-, Sozial-und Kulturwissenschaften zu sehen“, ist Tockners Überzeugung. Entsprechende Bewertungsmechanismen müssen denn auch erst entwickelt werden. Hier sind die fördergebenden Institutionen selbst gefordert, die für diese Aufgabe ihre Synergien ausschöpfen müssten. „Ich kann mir eine serielle Form der Abwicklung vorstellen. Zum Beispiel übernimmt der FWF seine koordinierende Rolle im Bereich der Grundlagenforschung, die Verantwortung für die anwendungsnahen Bereiche wird dann an eine Partnerorganisation weitergegeben.“ Ein Exzel-lenzprogramm verlange aber auch die Sicherung des Standorts durch die Stärkung der Grundfinanzierung der Forschungseinrichtungen. So könne Österreich zu einem der attraktivsten Länder in der Forschung und Ausbildung in Europa werden und bleiben.

Original Kolumne 6/2017