3D Krebsdiagnostik mit dem Ultramikroskop

Thursday, 29 October 2020 01:17

3D Krebsdiagnostik mit dem UltramikroskopAn der TU Wien entwickelte man in Zusammenarbeit mit der TU München ein Ultramikroskop, das erstmals ganze Stücke des Tumors in 3D sichtbar macht. Die Zuverlässigkeit der Diagnose ob der Tumor durch Operation vollständig entfernt wurde, soll dadurch deutlich gesteigert werden.

Ist der gesamte Tumor entfernt?

Nach einer Krebsoperation ist die entscheidende Frage: Sind möglicherweise Krebszellen zurückgeblieben, die weiterwachsen können, oder wurde tatsächlich der gesamte Tumor entfernt? Um das herauszufinden, wird der Tumor in der Pathologie untersucht. Bisher fertigte man dünne Schnitte an, die dann unter dem Mikroskop analysiert wurden. Diese neue Technik, soll nun das Tumorgewebe durchsichtig machen, um es mit einem speziellen Ultramikroskop zu durchleuchten. So kann man ganz ohne Schnitt das gesamte entnommene Gewebe in 3D analysieren. Die Zuverlässigkeit der Diagnose soll dadurch deutlich gesteigert werden.

Aus Gewebeproben die Zukunft lesen

„Unter dem Mikroskop kann man sehen, ob der entfernte Tumor von einem Saum gesunden Gewebes umgeben ist“, sagt Prof. Hans Ulrich Dodt vom Institut für Festkörperelektronik der TU Wien. „Man sagt dann, der Tumor wurde im Gesunden entfernt. Ist das der Fall, muss sich die Patientin oft nur noch erholen. Ist es nicht so, muss eventuell nachoperiert oder zusätzlich bestrahlt werden. Besonders nach Brustkrebsoperationen kommt das immer wieder vor.

Das Problem dabei ist, dass man auf diese Weise niemals den gesamten Tumor vollständig untersuchen kann. „Üblicherweise wird alle 5 Millimeter ein ungefähr 4 Mikrometer dicker Schnitt entnommen. Das bedeutet, dass nur etwa ein Tausendstel des gesamten Tumorvolumens auch tatsächlich untersucht wird.“ In kritischen Bereichen können die Dünnschnitte auch enger gelegt werden, aber das gesamte Gewebe kann auf diese Weise nicht erfasst werden.

Durchsichtiges Gewebe für das Ultramikroskop

Mit Hilfe einer speziellen Technik, der sogenannten Ultramikroskopie, ist es nun aber möglich, den ganzen Tumor dreidimensional sichtbar zu machen – daran arbeitete Inna Sabdyusheva im Rahmen ihrer Dissertation (universitätsübergreifend, an der TU Wien und dem Zentrum für Hirnforschung der MedUni Wien). Sie entwickelte ein chemisches Verfahren, mit dem man Brustkrebs-Proben „klären“ kann – sie werden durchsichtig, die Struktur bleibt aber unverändert, und die Krebszellen sind nach wie vor zu erkennen.

Die transparente Probe wird dann in einem Ultramikroskop durchleuchtet. Ein sogenanntes „Lichtblatt“, eine dünne Schicht aus Laserstrahlen, durchdringt das Gewebe. Damit wird die Probe Schicht für Schicht analysiert, und am Computer lassen sich dann beliebige Schnitte durch den Tumor anzeigen, obwohl er selbst niemals zerschnitten wurde. So gelingen Einblicke, die bisher unmöglich waren: In manchen Gewebeproben konnte man etwa Milchgänge erkennen, die mit Krebszellen verstopft waren.

Das chemische Verfahren, auf der Inna Sabdyushevas Arbeit beruht, wurde an der TU Wien von Klaus Becker entwickelt. Eine spezielle Optik, mit der sich besonders lange und dünne Lichtblätter erzeugen lassen, war in derselben Arbeitsgruppe von Saideh Saghafi konstruiert worden. Für die aktuelle Arbeit war das entscheidend – die Auflösung dieses Mikroskopie-Verfahrens hängt davon ab, wie dünn das Lichtblatt ist.
Die Untersuchungen wurden in enger Zusammenarbeit mit dem Pathologischen Institut der TU München durchgeführt, von dem auch die meisten Tumorstücke von Brustkrebsoperationen zur Verfügung gestellt wurden. Von der Klinik für Chirurgie des AKH Wien kamen auch Stücke von anderen Tumorarten.

Revolution in der Pathologie

„In kürzerer Zeit als bisher kann eine größere Verlässlichkeit bei den Untersuchungen erzielt werden. Außerdem dürfte die neue 3D Methode in Zukunft auch ganz neue Einblicke in die Krebsentwicklung erlauben“, sagt Hans- Ulrich Dodt. Da es dadurch erstmals möglich ist, die Ausbreitung von Krebszellen in menschlichen Operationspräparaten dreidimensional darzustellen, dürfte auch das Verständnis der Tumorbiologie wesentliche Fortschritte machen.
Die neue 3D Tumormikroskopie soll die Arbeit in der Pathologie wesentlich erleichtern. „Anstatt eine große Anzahl histologischer Schnitte unter dem Mikroskop zu inspizieren wird man in der Pathologie in Zukunft ähnlich wie in der Radiologie am Bildschirm mit der Maus durch die Bilder scrollen können“, sagt Hans-Ulrich Dodt. Die gewaltige Menge an Bilddaten, die dabei entsteht, eröffnet zusätzlich ganz neue Chancen im Bereich der künstlichen Intelligenz, glaubt Dodt: „Vielleicht könnten so in Zukunft deren Programme die Tumordiagnostik beschleunigen und vereinfachen.“

Diese neue Technik wurde nun im Fachjournal „Nature scientific reports“ veröffentlicht.

Originalpublikation:
I. Sabdyusheva Litschauer et al., 3D histopathology of human tumours by fast clearing and ultramicroscopy, Scientific Reports 10, 17619 (2020). https://www.nature.com/articles/s41598-020-71737-w

Kontakt:
Prof. Hans Ulrich Dodt
Institut für Festkörperelektronik
Technische Universität Wien
+43 1 58801 362 60 / +43 1 40160 34311
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(GZ)
Quelle: TU-Wien
Foto: Tumor in Ultramikroskop (c) TU-Wien

Der Beitrag 3D Krebsdiagnostik mit dem Ultramikroskop erschien zuerst auf Jobbörse und Netzwerk für Naturwissenschafter /-innen.

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